Die vernetzten "Foodies"
Popstars werden heute von MySpace gemacht, Blogs bestimmen über den Erfolg von Filmen - und jetzt liegt auch das Schicksal von Starköchen in der Hand des Internets.
Während sich die an Kochen und Essen interessierte Öffentlichkeit im deutschsprachigen Raum lieber passiv vor dem Fernseher versammelt (auch wenn die Fangemeinde von deutschen Sites wie Fool for Food und Chefkoch immer größer wird), haben in den USA Profi-Kritiker wie Frank Bruni ("New York Times") und die Stars des Kochfernsehens Food Network längst Konkurrenz von einer schnell wachsenden Szene von Hobby-Gourmets - gern "Foodies" genannt - im Web bekommen.
Rezepte und Online-Kurse
Die fast schon unübersichtliche Vielfalt an Rezept-Weblogs, oft mit Fotos, die jeden Kochbuchautor vor Neid erblassen lassen, ist dabei nur der Anfang.
Im Forum der Kulinarik-Website eGullet bieten etwa erfahrene User diverse Einsteigerkurse - Hausaufgaben und Übungen inklusive - für unbedarfte "Foodies" an. Die Palette reicht vom "Fernkurs" für Neo-Sommeliers über detaillierte Anleitungen zum Messerschleifen bis hin zu mehrseitigen Abhandlungen über einzelne Zutaten und Zubereitungsarten.
Kritiker ohne Kodex
Die wahre Macht liegt aber bei Websites wie Yelp, wo die Community Restaurants oft gnadenlos bewertet, und Webloggern, die sich auf Gastro-Kritik spezialisiert haben - denn positive Mundpropaganda ist das Um und Auf in der Branche.
Doch es gibt auch Kritik - vor allem von Restaurantbetreibern. Ihnen fehlt bei den Gastro-Bloggern der Kodex, dem professionelle Restaurantkritiker folgen. Während diese etwa einem neuen Lokal nach der Eröffnung 30 Tage Zeit geben, damit sich das Team vor einem Test einspielen und Fehler ausbügeln kann, tauchen Online-Kritiken oft schon am chaotischen ersten Tag auf - und sind dementsprechend wenig schmeichelhaft.
Ein Platz auf der Todesliste
Während im teuren Mehrsternbereich die etablierten Kritiker nicht um ihre Rolle fürchten müssen, kann negative Online-Kritik Mittelklasse-Restaurants tatsächlich ihre Kundschaft kosten.
Food-Bloggerin Lesley Balla hat auf ihrem Blog Eater LA etwa die Rubrik "Death Watch" eingerichtet, in der sie vorhersagt, wie lange bestimmte neue Lokale auf dem umkämpften Restaurantmarkt in Los Angeles durchhalten werden. Auf der Liste vertreten zu sein ist für einen Wirt nicht gerade positive PR.
Essen und Moral
In der Online-"Foodie"-Szene geht es aber nicht nur ums Genießen an sich: In den Blogs wurde nach Verboten in verschiedenen US-Städten etwa lang darüber diskutiert, ob Gerichte mit Gänsestopfleber moralisch vertretbar sind.
Heftig geführt wurde auch eine Art Copyright-Debatte: Darf man als Koch die Rezepte eines anderen Kochs verwenden, oder ist das "Piraterie"?
Blog-Pionierin auf Abwegen
Besonders in technikaffinen US-Metropolen wie San Francisco und New York gibt es eine blühende Szene von "Foodies" im Web.
Prototypisch dafür ist die Geschichte von Meg Hourihan: Sie war Mitgründerin von Pyra Labs, dem Start-up-Unternehmen hinter der populären Blog-Plattform Blogger.com, das 2003 für eine unbekannte, aber mit Sicherheit ansehnliche Summe an Google verkauft wurde.
Inzwischen betreibt die erfolgreiche Web-Unternehmerin das Food-Blog Megnut.com, in dem sie mit Szene-Stars wie dem polternden Starkoch Anthony Bourdain über kulinarische Entwicklungen diskutiert und über ihre Ausflüge in New Yorks hipste Restaurants berichtet.
Radikale Nudeln
Zu ihren aktuellen Favoriten gehören etwa der Jungstar der New Yorker Gastro-Szene, David Chang, und Shake Shack, ein hochgerüsteter Burger-Stand im Central Park.
Chang, der 2004 ohne große Erfahrung das "radikale Ramen-Lokal" Momofuku Noodle Bar eröffnete, hatte zu Beginn kaum Erfolg. Erst der Schneeballeffekt im Web machte sein Restaurant populär. Heuer ist Chang für den US-Gourmetpreis der James-Beard-Foundation nominiert.
High-Tech-Burger
Der soeben zum Winterende unter großem Andrang New Yorker Bobos wieder eröffnete Shake Shack grillt angeblich die besten Burger der US-Metropole. Wer das ausprobieren will, muss unter Umständen stundenlang Schlange stehen.
Die Betreiber haben sich inzwischen auf die Bedürfnisse ihrer Technik-verliebten Klientel eingestellt: Eine Live-Kamera auf der Shake-Shack-Website zeigt die Länge der Schlange an, und seit kurzem werden an wartende Kunden Pager verteilt, die vibrieren, wenn ihre Bestellung fertig zubereitet ist.
Bericht vom ORF online vom 22.04.2007
Während sich die an Kochen und Essen interessierte Öffentlichkeit im deutschsprachigen Raum lieber passiv vor dem Fernseher versammelt (auch wenn die Fangemeinde von deutschen Sites wie Fool for Food und Chefkoch immer größer wird), haben in den USA Profi-Kritiker wie Frank Bruni ("New York Times") und die Stars des Kochfernsehens Food Network längst Konkurrenz von einer schnell wachsenden Szene von Hobby-Gourmets - gern "Foodies" genannt - im Web bekommen.
Rezepte und Online-Kurse
Die fast schon unübersichtliche Vielfalt an Rezept-Weblogs, oft mit Fotos, die jeden Kochbuchautor vor Neid erblassen lassen, ist dabei nur der Anfang.
Im Forum der Kulinarik-Website eGullet bieten etwa erfahrene User diverse Einsteigerkurse - Hausaufgaben und Übungen inklusive - für unbedarfte "Foodies" an. Die Palette reicht vom "Fernkurs" für Neo-Sommeliers über detaillierte Anleitungen zum Messerschleifen bis hin zu mehrseitigen Abhandlungen über einzelne Zutaten und Zubereitungsarten.
Kritiker ohne Kodex
Die wahre Macht liegt aber bei Websites wie Yelp, wo die Community Restaurants oft gnadenlos bewertet, und Webloggern, die sich auf Gastro-Kritik spezialisiert haben - denn positive Mundpropaganda ist das Um und Auf in der Branche.
Doch es gibt auch Kritik - vor allem von Restaurantbetreibern. Ihnen fehlt bei den Gastro-Bloggern der Kodex, dem professionelle Restaurantkritiker folgen. Während diese etwa einem neuen Lokal nach der Eröffnung 30 Tage Zeit geben, damit sich das Team vor einem Test einspielen und Fehler ausbügeln kann, tauchen Online-Kritiken oft schon am chaotischen ersten Tag auf - und sind dementsprechend wenig schmeichelhaft.
Ein Platz auf der Todesliste
Während im teuren Mehrsternbereich die etablierten Kritiker nicht um ihre Rolle fürchten müssen, kann negative Online-Kritik Mittelklasse-Restaurants tatsächlich ihre Kundschaft kosten.
Food-Bloggerin Lesley Balla hat auf ihrem Blog Eater LA etwa die Rubrik "Death Watch" eingerichtet, in der sie vorhersagt, wie lange bestimmte neue Lokale auf dem umkämpften Restaurantmarkt in Los Angeles durchhalten werden. Auf der Liste vertreten zu sein ist für einen Wirt nicht gerade positive PR.
Essen und Moral
In der Online-"Foodie"-Szene geht es aber nicht nur ums Genießen an sich: In den Blogs wurde nach Verboten in verschiedenen US-Städten etwa lang darüber diskutiert, ob Gerichte mit Gänsestopfleber moralisch vertretbar sind.
Heftig geführt wurde auch eine Art Copyright-Debatte: Darf man als Koch die Rezepte eines anderen Kochs verwenden, oder ist das "Piraterie"?
Blog-Pionierin auf Abwegen
Besonders in technikaffinen US-Metropolen wie San Francisco und New York gibt es eine blühende Szene von "Foodies" im Web.
Prototypisch dafür ist die Geschichte von Meg Hourihan: Sie war Mitgründerin von Pyra Labs, dem Start-up-Unternehmen hinter der populären Blog-Plattform Blogger.com, das 2003 für eine unbekannte, aber mit Sicherheit ansehnliche Summe an Google verkauft wurde.
Inzwischen betreibt die erfolgreiche Web-Unternehmerin das Food-Blog Megnut.com, in dem sie mit Szene-Stars wie dem polternden Starkoch Anthony Bourdain über kulinarische Entwicklungen diskutiert und über ihre Ausflüge in New Yorks hipste Restaurants berichtet.
Radikale Nudeln
Zu ihren aktuellen Favoriten gehören etwa der Jungstar der New Yorker Gastro-Szene, David Chang, und Shake Shack, ein hochgerüsteter Burger-Stand im Central Park.
Chang, der 2004 ohne große Erfahrung das "radikale Ramen-Lokal" Momofuku Noodle Bar eröffnete, hatte zu Beginn kaum Erfolg. Erst der Schneeballeffekt im Web machte sein Restaurant populär. Heuer ist Chang für den US-Gourmetpreis der James-Beard-Foundation nominiert.
High-Tech-Burger
Der soeben zum Winterende unter großem Andrang New Yorker Bobos wieder eröffnete Shake Shack grillt angeblich die besten Burger der US-Metropole. Wer das ausprobieren will, muss unter Umständen stundenlang Schlange stehen.
Die Betreiber haben sich inzwischen auf die Bedürfnisse ihrer Technik-verliebten Klientel eingestellt: Eine Live-Kamera auf der Shake-Shack-Website zeigt die Länge der Schlange an, und seit kurzem werden an wartende Kunden Pager verteilt, die vibrieren, wenn ihre Bestellung fertig zubereitet ist.
Bericht vom ORF online vom 22.04.2007
restaurantkritiker - 22. Apr, 11:39
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